Wenn wer auf der Straße geht, einem vorbeitappsenden Hund
einen Fußtritt verpasst und gebissen wird, so wird der Hundebesitzer verklagt,
weil der Hund keinen Beißkorb hatte.
So tickt unsere Gesellschaft.
Als vor einigen Tagen der ORF erstmals über das Gewaltvideo
von Jugendlichen berichtete, wurde erwähnt, dass dieses Video an die 3
Millionen Mal angeklickt wurde und aus dem Netz nicht zu löschen ist. Jetzt
entrüstet sich der ORF darüber, dass es über 5 Millionen Klicks gab. No na. Erst darauf aufmerksam machen und sich dann aufregen, dass über 2 Millionen neugierig geworden sind.
So tickt der ORF.
Ich persönlich habe dieses Video nicht angeklickt. Warum?
Weil es mich nicht interessiert.
Gewaltvideos sind seit Jahren alltägliches Thema für
Polizei, Schule und andere Institutionen.
Was passiert, wenn ein Lehrer so etwas bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringt?
Die Eltern und auch noch alle anderen möglichen Leute (Psychologen etc.) würden
sich über den Lehrer stürzen, weil er dumme Jugendliche gleich kriminalisiert.
Was passiert, wenn ein Lehrer Cybermobbing seiner
vorgesetzten Behörde meldet? Nichts.
Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich von
Vertretern diverser Institutionen (Jugendamt, Polizei, Schulbehörde,
Psychologen etc.) bei solchen und ähnlichen Hinweisen auf Handlungsbedarf den Satz gehört habe: „Na
und? Was sollen wir jetzt tun?“
Wer Missstände meldet ist lästig.
Die einen sagen: „Das hat mit der Schule nichts zu tun“, die
anderen sagen: „Schuld sind die Lehrer.“
So einfach tickt unser System.
Vor etlichen Jahren, nämlich genau am 16.04.2002, berichtete
der ORF über die Zerschlagung eines Kinderpornoringes und zeigte mehrmals
deutlich die Webadresse einer unzensurierten Kinderpornoseite. Meine damalige
Chefin überzeugte sich davon und verfasste eine schriftliche Beschwerde an den
ORF. Der ORF schrieb zurück.
Hier ein Teil dieser Antwort der zuständigen ORF-Redakteurin,
nachdem sie die Verantwortung auf das Bundeskriminalamt schob:
„Außerdem möchte ich
anfügen, dass Pädophilie eine Krankheit ist und solche Seiten sicher nicht zum
Spaß besucht werden. Sollten trotzdem der ein oder andere Schüler auf diesen
Seiten surfen, dann passiert das wahrscheinlich nur einmal – die Seiten sind
für gesunde Menschen eher abstoßend als anziehend.“
Hört hört – so ist das also!
Warum zeigt der ORF jetzt das Gewaltvideo nicht zur Gänze?
Man beteuert, es wäre zu abstoßend.
Und überhaupt - Das Internet ist Teufelszeug.
Fernsehen war es auch. Und das Telefon sowieso.
Die Jugend muss beschützt werden.
Ich sage: Nein, muss sie nicht.
Jugendliche machen Blogs, stellen ihre Kreationen auf You
Tube, sind produktiv, kreativ, innovativ, konstruktiv und sind stolz darauf,
dass alles, was sie ins Netz stellen, auf ewig dort bleibt. Sie sind Zukunft.
Sie ticken.
Und wie ticken die Jugendlichen, die Gewalt ausüben? Eine
Psychologin sagt unter anderem, dass da im Elternhaus zu wenig Liebe war.
Ja eh! Wir wissen es.
Es gibt viele Gründe und Ursachen für Gewalt. Tatsache ist
aber auch, dass viele Menschen unter ebenso schwierigen Umständen aufwuchsen und
trotzdem nicht gewalttätig wurden, weil sie selbst an sich gearbeitet und
gesellschaftliche Regeln akzeptiert haben.
Ständig als erklärbares Opfer durch die Gegend laufen kann
wohl nicht die Lösung sein. Wo bleibt die Eigenverantwortung?
Genau das frage ich mich auch angesichts der boomenden
Hasspostings, die aus der vermeintlichen Anonymität heraus von Menschen mit
Gewaltfantasien verfasst werden. An diesem Phänomen kann man sehen, wie wenig
Eigenverantwortung unsere Gesellschaft zulässt, bzw. einfordert.
Wer sich zu einem Bienenstock setzt könnte gestochen werden.
Wer einen Hund tritt könnte gebissen werden.
Wer sich in einer gewalttätigen Clique umtut, der könnte
selbst Ziel von Gewalt werden. Schließlich hat man sich mit Gewalt arrangiert – solange man sie nicht selber spüren muss.
Wer sich spätnachts in dunklen Gassen herumtreibt könnte auf
böse Menschen treffen, die zumindest grapschen oder gar herhauen, stechen oder
schießen.
Das ist nichts Neues, das war immer schon so.
Zu wissen wo man hingeht ist wohl die einfachste Übung für
Selbstverantwortung.
Lies einmal die Gebrauchsanweisung für einen dämlichen
Toaster und du wirst erkennen, für wie blöd man dich hält. Die Firma will nicht
geklagt werden können, wenn du statt Brot die Finger in das Gerät hältst.
Man geht schon von vornherein davon aus, dass keiner mehr
Selbstverantwortung hat.
Aber aufregen darf man sich noch. Wir sind schließlich in
einer Demokratie.
Da wollen z.B. die, die nichts haben, dass andere, die auch
nichts haben, noch weniger kriegen sollten.
Was würde denen dann bleiben außer Gewalt?
Egal – wir haben es ja schon immer gewusst, dass die Ausländer
gewaltbereit sind und keine Mindestsicherung verdienen.
Wir sind aufrichtig erbost.
Die USA macht es uns täglich vor.
Ein Land, wo es praktisch NUR Ausländer gibt - weit und
breit ist kein Indianer zu sehen – blüht die Gewalt.
Gehe in die Bronx und beklage dich, dass du in deinem Land
zu wenig Mindestsicherung kriegst - und du hättest eine in die Schnauze, dass
du das Wort „Mindestsicherung“ nicht einmal mehr zischeln könntest.
Stattdessen sitzt du im geförderten Gemeindebau, schreibst
Hasspostings gegen die Regierung, die
Lehrer, die Ausländer, die Gutmenschen, die gewalttätige Jugend und überhaupt
gegen alle.
Und wählen tust du genau die, die dich immer schon abgezockt
und mit großmauligem Radau und Verbalgewalt magisch angezogen haben, weil sie
dich glauben lassen, du seist wer.
So tickt Gesellschaft.
Bei uns.
Woanders geht’s ums nackte Leben.
Da ticken nämlich die Bomben und Hunde haben generell keinen
Beißkorb.