Sonntag, 31. Januar 2021

Rede an "verbotene" Demonstranten

 [Rednerpult. Mikrophon. Ich trete verunsichert dahinter und höre mich sagen]:

 Ich rede hier zu einem Teil von euch – wie groß dieser Teil ist, weiß ich nicht.

 Ihr und ich haben ein Anliegen.

 Wir wollen nicht, dass unsere Existenzen gefährdet sind, indem Geschäfte, Theater, die Gastronomie, überhaupt die gesamten Gesellschafts- und Berufsbedingungen versperrt werden.

Wir wollen keine fatalen Schnell-Verordnungen, sondern an konstruktiven Ideen mitarbeiten. Dazu müssten wir aber gehört werden.

 Von Regierungsseite werden immer wieder Schnelltests propagiert.  Das wäre doch vielleicht ein Ansatz, den man mit Öffnung aller Einrichtungen verknüpfen könnte.

 Aber Schnelltests vor Veranstaltungen – egal welche - lehnt ihr auch ab. Ihr verzettelt euch und reibt euch an relativ kleinen Unannehmlichkeiten und verpasst damit die Chance, auf die großen Gefahren hinzuweisen, weil euch keiner mehr zuhört.

 Suppenkaspar trifft Rumpelstielzchen am Corona-Set. Aufstampfen und brüllen „Nein, meine Maske trage ich nicht!“ ist bloß die Demonstration pubertären Ungehorsams und macht angreifbar, weil ihr damit möglicherweise tatsächlich die Gesundheit anderer gefährdet. Ich weiß es nicht. Ich weiß es genauso wenig wie ihr, weil wir alle – so wie wir hier stehen - keine Wissenschaftler sind.

 Warum setzt ihr euch nicht die Masken auf und demonstriert mit 2 Meter langen Stangen, um die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten und damit die ganze Demonstrationsveranstaltung um ein Vielfaches noch auszudehnen?

 Zeigt und demonstriert doch endlich die wesentlichen Anliegen und nicht euren Pubertätslevel!

 So verkommt ihr nämlich zu willkommenen Komparsen für die Show der Hassprediger a la Kickl und der Ultrarechten und lasst euch von denen instrumentalisieren. Wer persönliche Freiheit will sollte sie sich auch verdienen und nicht hirnlos denen nachrennen, die mit billiger Provokation ihren fadenscheinigen Mut beweisen wollen.

 Manche von euch skandieren die Parole „Wir sind das Volk“. NEIN – das seid ihr NICHT!

Ihr seid nur ein kleiner Teil des Volkes und wollt, dass der größere Teil kuscht oder eurer Meinung ist. Damit seid ihr bereits mitten in der Diktatur angelangt.

 Wo bleibt da die persönliche Freiheit der anderen? Ihr solltet gegen euch selber demonstrieren, also gegen die, die eine mögliche Gefährdung anderer in Kauf nehmen und sich darüber hinaus einfach über die anderen stellen.

 Zeigt endlich, dass ihr wirklich eine Meinung habt und nicht nur so tut als würdet ihr euch was trauen gegen „die da oben“. Zwingt „die da oben“ mit konstruktiven Argumenten zum Zuhören und Handeln. Zeigt, dass nicht die Gewalt der Straße euer Fundament ist, sondern ideenreiche Mitverantwortung.

 Ja ja – ich sehe und höre schon euer Murren. Gleich werdet ihr mir das Mikro abdrehen und mich vom Rednerpult drängen. Ihr werdet mir die persönliche Freiheit nehmen, euch meine Meinung zu sagen. Ihr werdet mich verhindern und verfolgen – so wie ihr euch von der Politik und der Exekutive verfolgt fühlt.

 Ihr wollt diktatorisch gegen diktatorische Verordnungen kämpfen. Ihr wollt ausloten, wer stärker ist. So ein Kampf kann nur in Gewalt enden.

 Und was bleibt auf der Strecke? Die eigentlichen Ideen und Anliegen. Die bleiben dort, wo ihr auch bleiben wollt – auf der Straße.

 Und deshalb ......   

 [Soeben wurde der Ton abgedreht und ich gewaltsam entfernt. Nun weiß ich, dass ich nicht zu dem Volk gehöre, das ihr vorgebt zu sein. Vielleicht aber hat euch nur meine Maske gestört – als Zeichen dafür, dass ich in euren Reihen ein Verräter bin. Macht nix. Wenigstens habt ihr euch jetzt geoutet.]