[Rednerpult.
Mikrophon. Ich trete verunsichert dahinter und höre mich sagen]:
Ich rede hier zu einem Teil von euch – wie groß dieser Teil
ist, weiß ich nicht.
Ihr und ich haben ein Anliegen.
Wir wollen nicht, dass unsere Existenzen gefährdet sind,
indem Geschäfte, Theater, die Gastronomie, überhaupt die gesamten Gesellschafts-
und Berufsbedingungen versperrt werden.
Wir wollen keine fatalen Schnell-Verordnungen, sondern an
konstruktiven Ideen mitarbeiten. Dazu müssten wir aber gehört werden.
Von Regierungsseite werden immer wieder Schnelltests
propagiert. Das wäre doch vielleicht ein
Ansatz, den man mit Öffnung aller Einrichtungen verknüpfen könnte.
Aber Schnelltests vor Veranstaltungen – egal welche - lehnt
ihr auch ab. Ihr verzettelt euch und reibt euch an relativ kleinen
Unannehmlichkeiten und verpasst damit die Chance, auf die großen Gefahren
hinzuweisen, weil euch keiner mehr zuhört.
Suppenkaspar trifft Rumpelstielzchen am Corona-Set.
Aufstampfen und brüllen „Nein, meine Maske trage ich nicht!“ ist bloß die
Demonstration pubertären Ungehorsams und macht angreifbar, weil ihr damit
möglicherweise tatsächlich die Gesundheit anderer gefährdet. Ich weiß es nicht.
Ich weiß es genauso wenig wie ihr, weil wir alle – so wie wir hier stehen - keine
Wissenschaftler sind.
Warum setzt ihr euch nicht die Masken auf und demonstriert
mit 2 Meter langen Stangen, um die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten und damit
die ganze Demonstrationsveranstaltung um ein Vielfaches noch auszudehnen?
Zeigt und demonstriert doch endlich die wesentlichen
Anliegen und nicht euren Pubertätslevel!
So verkommt ihr nämlich zu willkommenen Komparsen für die
Show der Hassprediger a la Kickl und der Ultrarechten und lasst euch von denen
instrumentalisieren. Wer persönliche Freiheit will sollte sie sich auch
verdienen und nicht hirnlos denen nachrennen, die mit billiger Provokation
ihren fadenscheinigen Mut beweisen wollen.
Manche von euch skandieren die Parole „Wir sind das Volk“.
NEIN – das seid ihr NICHT!
Ihr seid nur ein kleiner Teil des Volkes und wollt, dass der
größere Teil kuscht oder eurer Meinung ist. Damit seid ihr bereits mitten in
der Diktatur angelangt.
Wo bleibt da die persönliche Freiheit der anderen? Ihr
solltet gegen euch selber demonstrieren, also gegen die, die eine mögliche Gefährdung anderer in Kauf nehmen und sich darüber hinaus einfach über die anderen stellen.
Zeigt endlich, dass ihr wirklich eine Meinung habt und nicht
nur so tut als würdet ihr euch was trauen gegen „die da oben“. Zwingt „die da
oben“ mit konstruktiven Argumenten zum Zuhören und Handeln. Zeigt, dass nicht
die Gewalt der Straße euer Fundament ist, sondern ideenreiche Mitverantwortung.
Ja ja – ich sehe und höre schon euer Murren. Gleich werdet
ihr mir das Mikro abdrehen und mich vom Rednerpult drängen. Ihr werdet mir die
persönliche Freiheit nehmen, euch meine Meinung zu sagen. Ihr werdet mich
verhindern und verfolgen – so wie ihr euch von der Politik und der Exekutive
verfolgt fühlt.
Ihr wollt diktatorisch gegen diktatorische Verordnungen
kämpfen. Ihr wollt ausloten, wer stärker ist. So ein Kampf kann nur in Gewalt
enden.
Und was bleibt auf der Strecke? Die eigentlichen Ideen und
Anliegen. Die bleiben dort, wo ihr auch bleiben wollt – auf der Straße.
Und deshalb ......
[Soeben wurde der Ton
abgedreht und ich gewaltsam entfernt. Nun weiß ich, dass ich nicht zu dem Volk
gehöre, das ihr vorgebt zu sein. Vielleicht aber hat euch nur meine Maske
gestört – als Zeichen dafür, dass ich in euren Reihen ein Verräter bin. Macht
nix. Wenigstens habt ihr euch jetzt geoutet.]